Ende Mai verkündete das Departement Sicherheit und Umwelt in einer Medienmitteilung, dass die Stadt Winterthur bei einem Grossereignis 15 Notfalltreffpunkte aktivieren und dort die Bevölkerung informieren und unterstützen kann. Dass sie dieses Versprechen im Ernstfall einlösen kann, ist zu bezweifeln.
Klingt alles vielversprechend, doch was versteht man unter einem «Grossereignis»? Hier wird in der Medienmitteilung der Stadt ein grossflächiger und anhaltender Stromausfall genannt. Stromausfall ist jedoch nicht gleich Stromausfall. Nehmen wir als Beispiel also einen «Blackout» als Grossereignis. Von einem Blackout spricht man, wenn die Stromversorgung grossflächig ausfällt und zur Wiederversorgung koordinierte Teilnetzbildung und dezentraler Einsatz geeigneter Kraftwerke erforderlich werden.
Alle elektrisch betriebenen Systeme stehen nicht mehr zur Verfügung bzw. nur noch, bis der Akku leer ist. Die Schweiz kennt drei Intensitäten von Szenarien. «Erheblich» bedeutet, vollständige Regeneration innerhalb eines Tages. «Gross» bedeutet sukzessive Regeneration über Tage bis Wochen und «extrem» sukzessive Regeneration über 3 bis 4 Wochen.
Viele Brände, kein Wasser, erschwerte Kommunikation
Im Gefährdungsdossier des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz BABS von 2020 wird ein Szenario auf der Intensitätsstufe «gross» anhand von zwölf Schadensindikatoren aus vier Schadensbereichen durchgespielt. Das Szenario spricht von Toten und Verletzten wegen Verkehrsunfällen aufgrund von ausgefallenen Verkehrsregelungsanlagen, verunsicherten Autofahrern und eines erhöhten Verkehrsaufkommens. Es kommt vermehrt zu Bränden aufgrund unsachgemässer Handhabung von Kerzen sowie Personenschäden durch Rauchvergiftungen. Ältere und betreuungsbedürftige Menschen sind massiv auf fremde Hilfe angewiesen. Teilweise funktioniert die Wasserversorgung nicht mehr. Lebensmittel verderben nicht nur in Privathaushalten, sondern auch im Handel, da Kühlschränke und Kühllager ausgefallen sind. Kochen kann man nur noch mit Gas oder Feuer.
Es kommt zu Lebensmittelvergiftungen. Einsatzorganisationen sind schlecht erreichbar, da der Mobilfunk und das Festnetz früher oder später zusammenbrechen. Für mehrere Personen kommt jede Hilfe zu spät.
Zusammengefasst sind während eines Stromausfalls 400 000 Personen im Durchschnitt einen Tag lang auf Unterstützung angewiesen. Es kommt zu 13 Todesopfern, ca. 19 Personen werden schwer verletzt oder krank, 60 Personen sind mittelschwer und 120 Personen leicht verletzt oder krank.
Die Notstromversorgung in den Spitälern funktioniert zwar, doch dass Aufzüge stecken bleiben, Schiebetüren von Geschäften nicht mehr öffnen und man nichts bezahlen kann, da die Kassensysteme nicht mehr funktionieren, wirkt sich auf die Psyche der Menschen negativ aus und es kommt zu Streitereien und erhöhter Aggressivität. Flüge werden umgeleitet, öffentliche Verkehrsmittel fahren keine mehr, auch die Zapfsäulen an den Tankstellen funktionieren ohne Strom nicht. Es kommt während Tagen zu Versorgungsengpässen und -unterbrüchen für grosse Teile der Bevölkerung in allen Bereichen, auch in lebensnotwendigen, wie Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten.
8000 Personen pro Treffpunkt
Die Stadt Winterthur zählt schon bald 120 000 Einwohner. Verteilt auf die 15 Notfalltreffpunkte ergibt das 8000 Personen pro Treffpunkt. Glauben Sie wirklich, dass diese Notfalltreffpunkte auch nur annähernd funktionieren werden? Menschen, die von Angst getrieben werden, handeln nicht mehr rational. Es geht ums nackte Überleben. In solchen Situationen ist sich jeder selbst der Nächste. Die Notfalltreffpunkte sollen rund um die Uhr von Feuerwehr, Zivilschutz oder Polizei betrieben werden. Wenn ich mir das oben beschriebene Szenario nochmals vor Augen führe, glaube ich nicht, dass noch irgendein Feuerwehrmann oder Polizist die Zeit dazu haben wird, sich bei einem dieser Treffpunkte nützlich zu machen. Die werden damit beschäftigt sein, Brände zu löschen, Leute aus Fahrstühlen zu retten, das Verkehrschaos in den Griff zu bekommen, Tote zu bergen und Streitereien zu schlichten. Um 15 Notfalltreffpunkte rund um die Uhr betreuen zu können, bräuchte man wohl um die 135 Personen (Annahme: drei Schichten à drei Personen / Treffpunkt).
Es würde mehr Sinn machen, die Leute unablässig auf ein solches Szenario wie auf einen Blackout vorzubereiten, indem man sie sensibilisiert und aufzeigt, wie man sich am besten selber versorgt, sprich ganz konkret: legen Sie sich einen Notvorrat zu! Stellen Sie sicher, dass Sie 2–3 Monate ohne den Staat überleben könnten! Bei einem Grossereignis werde ich mich hüten, einen dieser 15 Treffpunkte aufzusuchen.