Gemeinderatssitzung vom 1. März 2021: Totalrevision der Gemeindeordnung

Geschätzter Herr Präsident,
sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
liebe Kolleginnen und Kollegen

Die SVP stellt den Rückweisungsantrag für das Geschäft 2020.47 Totalrevision Gemeindeordnung und ich möchte Ihnen gerne darlegen wieso.

Ich war fünf Jahre KSP-Mitglied. Als ich dieses Amt übernommen habe, hatte ich kaum eine Vorstellung, was eine Schulpflege eigentlich macht. Und ich bin überzeugt, dass die Mehrheit in dieser Halle ebenfalls nicht genau weiss, was zum Amt eines Schulpflegers gehört. Und trotzdem hat jeder hier drin eine Meinung, wie die Gemeindeordnung hinsichtlich der Schulbehörde geändert werden soll.

Ich war mit Leib und Seele Schulpflegerin und einer Schule zugeteilt, die von diversen Schulleiterwechseln durchgeschüttelt wurde und zeitweise auch ohne Führung den Laden „schmeissen“ musste. So war ich das Bindeglied und einzige Konstante, bei der alles zusammenlief. Die Lehrpersonen schätzten es sehr, dass sie eine Ansprechperson hatten. Wann immer möglich nutzte ich die grosse 10 Uhr Pause, um mit dem Team einen Kaffee zu trinken und mich auszutauschen, wodurch ich gut integriert und Teil des Teams wurde. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Unterrichtsbesuchen nahm ich unter anderem an Weiterbildungen und an Besuchstagen teil und wohnte den Präsentationen der Abschlussarbeiten bei. Die Jungs der schwierigsten Klasse nähten für mich ein „Chriesisteichüssi“, und auf der Marktgasse wurde ich von den Schülern gegrüsst.

Die Aufgabe als Schulpflegerin war aber auch nicht immer leicht. Schliesslich musste ich die Behörden vertreten, doch mit viel Wohlwollen, einem offenen Ohr und Interesse ist mir dieser Spagat gelungen. Als wir dann für diese Schule endlich einen neuen Schulleiter anstellen konnten, war er etwas nervös, als er erfuhr, dass ich in der SVP bin – warum auch immer. Als ich in den Gemeinderat nachrutschte, musste ich meine Aufgabe als Schulpflegerin leider aufgeben. Bei meiner Verabschiedung erzählte mir dieser neu eingestellte Schulleiter, dass er mir gegenüber wegen meiner Parteizugehörigkeit doch gewisse Vorbehalte hatte. Sein Dank an mich endete aber mit seiner ganz individuellen Deutung des Kürzels meiner Partei. Dieses stehe für «Schule vor Politik». Was will ich Ihnen mit diesen Ausführungen sagen? Ich kann nur für unsere Kreisschulpflege sprechen, aber bei uns war die Parteizugehörigkeit (fast) völlig egal. Weil es um die Schule ging und mit ihr um die Bildung unserer Kinder. Da spielte das Parteiprogramm maximal eine untergeordnete Rolle. Bei unseren regelmässigen Kreisschulpflegesitzungen im Gremium war ein fixer Traktandenpunkt der Austausch, wie es in den verschiedenen Schulen läuft, wo es Probleme gibt, wo Schulleitungen von einem Burnout bedroht sind etc. etc. Man besprach mögliche Lösungen und jeder wusste, wo man sein Augenmerk ganz besonders draufhalten musste. Und um mal klar zu stellen, die Kreisschulpräsidien sind keine kleinen Königreiche, wie man das immer wieder hört. Kreisschulpflegen sind Gremien, jedes Mitglied mit einer Stimme. Auch das Präsidium hat lediglich eine Stimme und muss sich dem demokratischen Entscheid des Gremiums beugen. Mit der jetzt vorgesehenen Machtverschiebung hin zum Stadtrat kann man schon eher von einem Königreich sprechen. Der Stadtrat als König und der Bereichsleiter Bildung als Berater.

Sie sehen, das Amt als Kreisschulpflegemitglied beinhaltet weit mehr, als nur die Lehrpersonen während einer Lektion zu besuchen. Es geht auch darum, der Schule vor allem in schwierigen Zeiten mit Rat und Tat, einer anderen Optik und Lebenserfahrung, niederschwellig zur Verfügung zu stehen.

Ich hoffe, Sie haben nun eine Ahnung davon, was eine Schulpflege bzw. ein einzelnes Mitglied der Kreisschulpflege macht. Und nun sagen Sie mir ehrlich, haben Sie wirklich das Gefühl, dass ein Beamter, der in Konstanz oder Frauenfeld wohnt, wirklich einen besseren Job machen wird? Nebenbei, um zukünftig als einfaches Wahlbüromitglied gewählt werden zu können, steht die Idee im Raum, dass der Wohnsitz in Winterthur sein muss.

Und wenn Sie den Eindruck haben oder der Meinung sind, dass Eltern mittels eines Elternrats ein Mitspracherecht haben, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Falls die Schulleitung kulant ist, eine gute Beziehung zum Elternrat besteht, dann geht die Schulleitung vielleicht auf den einen oder anderen Vorschlag der Eltern ein. Sie muss aber nicht. Daher ist diese Form der Elternpartizipation eine reine Alibiübung. Wenn Eltern sich in Sachen Schule einbringen wollen, würden wir als Parteien gut daran tun, solche Leute zu ermutigen, das Amt als Schulpfleger auszuüben. Einfach gesagt, als Schulpfleger vertritt man die Eltern in Sachen Schule, so wie wir als Gemeinderäte die Bewohner von Winterthur in stadtbezogenen Angelegenheiten vertreten.

Traurig finde ich, dass es in der Debatte um die Schulbehörden darum geht, was im eigenen Parteiprogramm steht. Wir sollten endlich lernen, die Leute an der Front ins Boot zu holen, die Leute zu fragen, die direkt betroffen sind. Ein Beispiel ist der Artikel 42 der neuen Gemeindeordnung. Die Lehrpersonen wären froh und halten es für zwingend notwendig, dass an den Sitzungen der Schulpflege je eine Primar- und eine Sekundarlehrperson mit beratender Stimme teilnehmen können. Und nicht wie vorgesehen nur noch eine Lehrperson. Weiter äusserten sich mehrere Lehrpersonen deutlich, dass mit der neuen, radikal verkleinerten Schulpflege die persönlichen Kontakte zur Schüler-, zur Eltern- und zur Lehrerschaft fehlen, dass die lediglich noch sechs Volksvertreter und Vertreterinnen wegweisende strategische Entscheide fällen würden und deshalb auf beratende Fachpersonen für ihre Meinungsbildung angewiesen seien.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, die letzten paar Tage, in denen ich zu dieser Thematik viele Gespräche geführt habe, haben mir gezeigt, dass mit der vorliegenden Schulbehördenreorganisation eigentlich niemand wirklich zufrieden ist. Das zeigt auch die Synopse, denn beim Thema Schulbehörden stehen weitaus am meisten Änderungsanträge im Raum.

Dass aber offenbar weite Teile dieses Rates diese Reorganisation der Schulbehörden im Rahmen einer Totalrevision der Gemeindeordnung mit der Faust im Sack oder zähneknirschend trotzdem gut heisst stimmt nachdenklich. Die Schule ist eine derart wichtige Institution, dass eine so massive Reorganisation der Schulaufsicht nicht in einer Totalrevision der Gemeindeordnung versteckt werden sollte. Dafür ist und bleibt die Schule ein zu wichtiges Thema.

Ich bitte Sie – im Sinne der Schule und der Schulbildung unserer Kinder – unserem Rückweisungsantrag zuzustimmen, damit der Teil der Schulbehörden von der vorberatenden Kommission oder eventuell einer neuen Kommission nochmals in Ruhe ausgearbeitet werden kann. Diese Gemeindeordnung mit den Änderungen der Schulbehörden ist definitiv noch nicht reif für eine Abstimmung und die Schule ist viel zu wichtig, als dass man dieses Geschäft mit einem flauen Gefühl in der Magengegend durchwinken sollte.

Schule vor Politik! Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung.

Votum zum Rückweisungsantrag der Totalrevision Gemeindeordnung