Votum zum Bericht des Postulates „Einführung von Tagesschulen in Winterthur“
Gemeinderatssitzung vom 24. August 2020
Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen
Die SVP-Fraktion nimmt den Bericht des Stadtrates zum Postulat in ablehnendem Sinn zur Kenntnis und zwar aus den folgenden Gründen:
Wir stellen uns grundsätzlich nicht gegen Tagesstrukturen beziehungsweise Tagesschulen. Aber die konkrete Ausgestaltung ist für uns ein wesentlicher Faktor und diese ist bei diesem Postulat ungenügend.
Die Stadt Winterthur stellt bereits heute auf der Kindergarten- bis und mit Mittelstufe genügend Möglichkeiten zur Verfügung, um ein Kind bei Bedarf ganztätig betreuen zu lassen, sei dies mit dem Mittagstisch oder der schulergänzenden Betreuung. Nur in wenigen Sekundarschulhäusern stehen diese Möglichkeiten noch nicht so zur Verfügung. Man kann also klar festhalten, dass die Stadt Winterthur der gesetzlichen Verpflichtung Tagesstrukturen zur Verfügung zu stellen, bereits heute grossmehrheitlich nachkommt, auch wenn man bei den bestehenden Angeboten nicht von «Tagesschulen» spricht.
Ganztagesbetreuungen müssen aus unserer Sicht zudem ganz klar freiwillig bleiben und wir lehnen obligatorische Angebote strikte ab. Eine Freiwilligkeit und somit auch die Alternative der Betreuung zu Hause in der Familie kann aber nur gewährleistet werden, wenn wie bis anhin genügend lange Mittagspausen eingeplant werden. Nur so können auch Familien mit traditionellen Tagesstrukturen oder Elternteile, welche lokal einer Arbeit nachgehen, ihr Mittagessen im Familienverband einnehmen.
Des Weiteren dürfen die zusätzlichen Kosten nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Wer solche Tagesschul-Strukturen nutzen will, der soll auch dafür aufkommen. Alles andere käme einer ungleichen Behandlung und finanziellen Abstrafung von Familien gleich, welche die Mittagspause miteinander verbringen. Auch Eltern, die einen Mittagstisch beanspruchen, sollen für diese Dienstleistung wie bisher einen Beitrag leisten müssen.
Die Zentralschulpflege will gemäss ihren Legislaturzielen bis zum Jahr 2022 in jedem Stadtkreis eine Tagesschule als Pilotschule eingeführt haben. Das Angebot soll ausgerichtet sein am Bedarf und an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler aller Schulstufen sowie deren Eltern. Im Jahr 2019 nutzten rund. 35% der Kindergarten- und Primarschülerinnen und -schüler das Angebot der schulergänzenden Betreuung. Da stellt sich uns schon auch die grundsätzliche Frage, ob diese Zahlen die Einführung einer solchen Pilotschule in jedem Stadtkreis rechtfertigen und wer dann aufgrund welcher Argumente entscheidet, welches Kind diese Schule besuchen darf. Wie wir wissen, wird ein Kind entsprechend seinem Wohnort einem Schulhaus zugeteilt. Wie erfolgt nun die Zuteilung, wenn die angestrebte Tagesschule am andern Ende des Schulkreises liegt?
Eine weitere Forderung des vorliegenden Postulates ist, dass die Betreuung unter dem gleichen pädagogischen Dach geführt werden soll. Was konkret verstehen die Postulantinnen darunter? Das kantonale Gesetz schreibt beispielsweise nicht vor, dass die Betreuung durch Lehrpersonen zu erfolgen hat. Dies wäre, gerade bei der heutigen Knappheit an Lehrkräften und gehäuften krankheitsbedingten Ausfällen, eine sehr verhängnisvolle Forderung. Vor allem auch, wenn man zu alledem noch den Aspekt des neuen Berufsauftrages ins Spiel führt, bei dem sämtliche Lektionen von den Lehrpersonen abgerechnet werden dürfen. Diese Lektionen fehlen dann wieder anderswo. Lehrpersonen haben ihre Mittagspause mehr als verdient. Selbstredend wäre die Variante der Betreuung durch Lehrpersonen auch ein kostentreibender Faktor, gehören Lehrpersonen einer wesentlich höheren Lohnklasse an als Betreuungspersonen.
Das pädagogische Konzept ist nach wie vor in der Obhut der Schulleitungen und deren Teams und gehört ganz sicher nicht zu den Aufgaben des Gemeinderates und/oder der ZSP. Diese beiden Gremien haben lediglich dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen und dass den Schulleitungen möglichst wenig zusätzliche Arbeit und Administration aufgehalst wird, denn nicht von ungefähr erfolgt heute unter der Geschäftsnummer 2018.22 die Beantwortung der Interpellation betreffend Belastungen im Schulleitungsumfeld.
Aus unserer Sicht ist jedoch ein weiterer Punkt viel wesentlicher, welcher uns der Lockdown und der damit verbundene Halbklassenunterricht gezeigt hat: Schule an sich muss aufgrund der neusten Erfahrungen grundlegend neu überdacht werden. Von diversen Lehrpersonen und Schulleitungen kamen durchs Band positive Rückmeldungen zum durchgeführten Halbklassenunterricht. Mit der Hälfte der Schülerinnen und Schüler konnte man gleich schnell oder sogar schneller den Stoff erarbeiten – wohlbemerkt innerhalb der halben Lektionenzahl. Dazu kam auch, dass Schülerinnen und Schüler mit Sonderschulstatus besser integriert und begleitet werden konnten, da eine intensivere Betreuung durch die Lehrpersonen möglich wurde. Unserer Ansicht nach müsste das Projekt Tagesschule gestoppt werden und man müsste zurück auf Feld 1 gehen. Dafür müsste dann eine gründliche Evaluation zum Thema Halbklassenunterricht während der Coronazeit erhoben werden.
Mit der Qualität des vorliegenden Berichtes sind wir nicht zufrieden und fordern daher einen Zusatzbericht, welcher die offenen und unklar erläuterten Punkte genauer beleuchtet und darüber Auskunft gibt. Dies gilt im speziellen für die Themenfelder der Kosten sowohl für das Projekt als auch die Tagesschulen an sich, wie z.B. die erwähnten baulichen Massnahmen. Unklar ist auch die genaue Zusammensetzung der Projektgruppe, dabei ist besonderes Augenmerk auf die Vertretungen des Schuldepartementes zu richten. Der sehr wichtige Punkt der «Freiwilligkeit» wird im vorliegenden Bericht nur sehr summarisch und oberflächlich behandelt, aber genau die geforderte Freiwilligkeit ist doch ganz entscheidend.
Auch die konkrete Ausgestaltung der künftigen Schulzeiten muss diesem Rat genauer ausgeführt und vorgelegt werden, da es auch darum geht, dass Kinder, welche den Mittag zu Hause verbringen wollen und sollen, dies auch weiterhin tun können und dafür auch die nötigen Pausenzeiten zur Verfügung stehen.
Aus den dargelegten Gründen kann die SVP den Bericht nur ablehnend zur Kenntnis nehmen. Wir erachten die Tagesstrukturen, wie sie heute angeboten werden als gesetzlich genügend, insbesondere gewährleistet das bisherige Konzept ein rechtsgleiches Angebot über das ganze Stadtgebiet und für alle Eltern gleichermassen. Bevor wir solche Massnahmen ergreifen, muss die Schule zuerst die neu gewonnen Erkenntnisse auswerten und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Maria Wegelin, Gemeinderätin SVP
Votum zum Bericht Postulat Einführung von Tagesschulen in Winterthur